interview

interviewer:
marion godau
2004-03-09


protraitbild

Roro Ludewig
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Das ist eigentlich immer noch das dreidimensionale Interesse. Gestaltung, Formgebung – ob das das Bildhauerische ist oder das Design.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Das Studium, die Situation in Berlin, seine Insellage. Während des Studiums war ich zweimal in den Vereinigten Staaten, in der Alternativszene von Oregon und Kalifornien. Wir versuchten Architektur ohne Architekten, bauten wild drauflos. Das waren ganz entscheidende Sachen im Studium. Danach ging ich nach Italien, das war ein neuer Höhepunkt. Ich war in Mailand bei Rodolfo Bonetto und in Genua bei Renzo Piano. Ich wurde dort konfrontiert mit Sachen, die ich im Studium nicht gelernt hatte, etwa das Zeichnen. Dann ging’s richtig rein ins Konsumdesign. Da spielte Ergonomie keine Rolle mehr: es sollte nur gut aussehen. Das Tolle: man schafft’s. Ich hatte bei Roericht trotz allem ein gutes universelles Rüstzeug bekommen, um mich da durchzuboxen. Rodolfo Bonetto machte alles, er war nicht spezialisiert auf eine Produktgruppe. Er machte auch Innendesign bei Fiat. Bei Renzo Piano war ich in der Rolle des Innenarchitekten. Wir arbeiteten an einem großen Projekt, der Gestaltung für einen Luxusliner. Nach dieser Zeit hatte ich für ein Jahr eine Gastprofessur in Berlin. Da ist ein Knoten geplatzt. Ich sagte mir, man muss weg von Luxusliner und Bonetto-Design. Das hat sich ausgelebt in der Bildhauerei. Bis heute ist die freie Bildhauerei mein Interessensgebiet. Ich verdiene aber auch noch Geld mit Design.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Mit niemandem. Als Künstler lebe ich das alte traditionelle Künstlerleben – sehr zurückgezogen.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Ich würde das, was ich tue, ausbauen. Einer meiner Schwerpunkte in der Bildhauerei sind Bambusskulpturen. Ich würde in ein Land gehen, wo das Material massenweise nachwächst. Vielleicht auch Südamerika.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Ich bin viel in Italien. Was mich dort am meisten beeindruckt, ist die intakte alte, manchmal mittelalterliche Architektur. Die alten städtischen Strukturen, die Volumina – das ist alles Plastik und eine ganz starke Basis.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Ich habe ja noch mit den Architekten zusammen im Hauptgebäude angefangen. Es war schön, dass es keine Massenuniversität war, sondern eine familiäre, menschliche Studiensituation, wo man ganz persönlichen Kontakt zum Prof. hatte (der alte Kunstakademiegedanke).

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Das Studium war wichtig. Das Entscheidende war sicher, sich nicht zu spezialisieren und Generalist geblieben zu sein. Und dass man sich mehrere Interessensgebiete offen gehalten hat.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Es gab damals ein Lieblingsbuch von Nick Roericht: „Der universelle Reiseführer“. Im universellen Ansatz habe ich mich wiedergefunden und lebe ihn auch heute noch. Man war gut aufgehoben, auch mit persönlichen Sorgen. Es war eine kleine Familie.

wenn du gerade nicht arbeitest, wo bist du am liebsten?
Ich reise gerne und werde anfangen, in Richtung Osten zu fahren. Zum Beispiel nach Ungarn.

auf was koenntest du leicht verzichten?
Sicher auf diese ganze elektronische Berieselung, die mit dem Fernseher anfängt, über das Kaufhaus geht und mit dem Werbemüll im Internet aufhört. Die Geschwindigkeit zurücknehmen und einen langsameren Gang einlegen.

was hat dir im studium gefehlt? allgemein und bei id4?
Da wüßte ich jetzt nichts aufzusagen. In der damaligen Situation hat man sowieso alles kritisiert. Im nachhinein ist man immer klüger. Wichtig war, dass ich den Abschluss gemacht habe. Ich kam damals aus Oregon nach Berlin zurück, wollte jedoch eigentlich dort bleiben. Aufgrund der damaligen politischen Konstellationen am Fachbereich wurde ich mit meiner Begeisterung vom alternativen Leben in den USA schnell in eine Außenseiterrolle gedrängt. Nick Roericht war selbst eine Zeitlang in den USA gewesen. In ihm hatte ich einen Fürsprecher. Durch seine Hilfestellung habe ich das Diplom dann noch gemacht.