interview

interviewer:
Simone Kaempf
2006-05-16





Martin Kraemer
wie würden Sie jemand anderem ihren job erklären?
Bühnen- und Kostümbildner fürs Theater. Eine Aufführung ist am Ende immer ein Zusammenspiel von sehr vielen Disziplinen. Am Ende zeichnen bis zu vierzig Leute verantwortlich. Im optimalen Fall bespreche ich mit dem Regisseur die Atmosphäre eines Stückes und entwickle dazu einen Raum.

wann und warum wurden Sie ans ID4 berufen?
Ich hatte mich schon während des Design-Studiums in Richtung Bühnenbild bewegt. Habe in dieser Zeit bei Roericht auch ein Projekt über Räume gemacht. Und nach dem Diplom 1987 hat er mich gefragt, parallel zu meiner Arbeit am Theater als Lehrbeauftragter zu kommen.

welche aufgaben haben sie dort übernommen?
Mehrere semesterbegleitende Projekte. Betreuung der Seminare von Ettore Sottsass zum Thema Raum, in dem Küchen und Türen entworfen wurden. Ein anderes Thema hieß Kaufen und Bezahlen - Formen der alternativen Übereignung.

was fällt Ihnen zu den umständen und der zeit am ID4 spontan ein?
Als ich zum Lehren zurück an die Hochschule kam, gab es im Haus erstmals die vier Computer, um die sich alle geschlagen haben. Das zeigte sich darin, dass die Projektberichte in der Gestaltung relativ ähnlich aussahen. Wohl wegen der beschränkten Möglichkeiten der Rechner. Wenige Jahre zuvor während meines Studiums war die Formensprache reicher gewesen. Das, was bei uns so wichtig gewesen war, den Entwurf auch umzusetzen, begann sich zu verändern.

besonderheiten der studenten-generation, mit der sie zu tun hatten?
In dem Raum-Projekt konnten die Studenten zum Entsetzen von Sottsass alle nicht zeichnen, fast alle nicht. Die Unterschiede waren groß. Einige Studenten waren sehr gut, sind zum Teil Profs geworden. Die Gruppe im Sottsass-Seminar war sehr lasch, mit wenig Biss. Jede Krise hat sie gleich aus der Kurve geworfen. Teilweise standen sie kurz vor dem Diplom, das fand ich sehr problematisch. Das hing natürlich auch damit zusammen, welche Gruppen sich bildeten. Carola Zwick, Claudia Plikat und die anderen fanden sich relativ früh und haben sich gegenseitig gepusht. Für diejenigen, die eher allein unterwegs waren, war die Zeit wahrscheinlich schwieriger.

übereinstimmungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Wenn Roericht feststellte, dass die Studenten einen Weg gefunden haben, ließ er sie machen. Das fand ich immer sehr gut. Natürlich war es so, dass die Grundspannung stieg, wenn er zu den Präsentationen kam. Manchmal war er nicht fair, auch wenn ich mich selbst nicht beklagen kann. Das gehörte mit zu seinem System. Ich erinnere mich, dass er zu einem Studenten sagte: "Design muss das sein". Ich denke, dass die bewusste Provokation alles oder nichts herauskitzeln sollte.

kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und ID4lern?
Ich hatte mit Burkhard Schmitz, Claudia Plikat und Carola Zwick an zwei Projekten gearbeitet, einem Messestand für Hewlett Packard und dann eine Multimedia-Show im ICC, wo ich auch über die Theaterarbeit Input gab. Die gesamten Mitarbeiter fuhren da zum Beispiel auf Sofas aus der Unterbühne hoch. Aber inzwischen nichts mehr. Auch, weil ich viel im Ausland arbeite.

haben sie etwas in ihren Arbeitsbereich übernommen oder dort weiterentwickelt?
Ich denke schon. Man hat natürlich auch gelernt, Arbeitsformen zu entwickeln, zu recherchieren, Ansätze weiterzuentwickeln. Das ist am Theater, wenn man Bühnenbilder macht, auch nicht soviel anders. Und ich habe bei Roericht noch richtig Modellbau gemacht, was für meine Arbeit relevant ist.

sehen sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln in andere formen und ausrichtungen?
Mit klassischem Design als solchem habe ich nach dem ID4 selbst überhaupt nichts mehr zu tun gehabt. Für die Zeitschrift "Literaturen" habe ich einen Messestand für die Frankfurter Buchmesse. Ich entwerfe Bühnenbilder. Das ist Raumgestaltung, aber auch Gestaltung und Design.

wie hat sich, seit sie arbeiten/lehren, das verhältnis des entwerfers zum handwerkszeug verändert?
Virtueller, würde ich sagen. Durch den Rechner ist das manuelle Arbeiten weniger geworden. Aber so genau kann ich es nicht beurteilen, dazu beschäftige ich mich zuwenig damit. Das Theater ist da sowieso anachronistischer. Bühnenbilder baut man genauso wie vor fünfzig Jahren.

welche hoffnungen oder ängste knüpfen Sie daran?
Immer Hoffnungen.

worauf könnten Sie leicht verzichten?
Auf zunehmende Eitelkeiten derjenigen, die an der Spitze stehen.