interview

interviewer:
Simone Kaempf
2006-06-19


protraitbild

Franz Maurer
wie würden Sie jemand anderem ihren job erklären?
Wir entwickeln Konzepte für Menschen und Räume, die wir anschließend gestalten. Unter anderem zur Zeit einen Wohnungsumbau, "eine Jungfrauenfalle" mit allem, was man sich vorstellen kann: von einer riesigen Wand für 20 beleuchtete Buddha-Statuen, wo gleichzeitig auch Videoscreen, Kamin und Klimaanlage untergebracht sein müssen, vier beleuchtete Weinkühlschränke am Eingang, bis zum 50-qm-Bad mit raumgroßer Dampfsauna, Whirlpool und drehbarem Wasserfall als optische Trennung zwischen dem öffentlichen Wohnbereich und dem privatem Schlaf-Badetrakt.

wann und warum wurden Sie ans ID4 berufen?
Ich hatte an der TU neben meiner Assistententätigkeit einen architekturtheoretischen Lehrauftrag zum Thema "Form und Raum in der Architektur" und wurde dort von Martin Rissler entdeckt. Lehrte von 1988 bis 1994 am ID4.

welche aufgaben haben sie dort übernommen?
Mein erster Auftritt am ID4 war ein Vortrag über Symbolik in der Architektur und hieß "Architektur und der Sternenhimmel". Danach wurde ich für den Bereich "Grundlagen der Wahrnehmung" und Grundlagenseminare zum Entwerfen geholt. Wegen meiner anderen Aufgaben meist als Blockseminar intensiv in vier Wochen mit Themen wie "Le Parfum", "Blindflug", "Raumübergänge" oder "der imaginäre Raum". "Le Parfum", weil Entwerfer (Architekten und Designer) ähnlich viel mit den Augen arbeiten und verbildet, vorbelastet sind mit den Wahrnehmungen, die damit verbunden sind. Das Riechen habe ich bewußt als Gegenpol gewählt. Beginn war eine Art Grundlagenschulung des Riechens, Duftstoffe einordnen, dann mit verbundenen Augen Stadtspaziergänge machen und erkennen, wo man ist, was das für Orte sind, die man riecht. Am Ende erfanden wir einen Riech-Parcours, um das Gelernte anzuwenden. Und der Entwurf für einen Flakon, der unterschiedlich behandelt wurde bis hin zu raumgroßen Elementen. Das Interessante war natürlich: wie geht man beim Geruch ran, den man als Gestalter wenig kennt und nutzt? Und wie überträgt man die Erkenntnisse wiederum auf das Sehen? Mein Ziel: Vor-verbildete Strukturen aufbrechen und neue Ideen entwickeln. Das geht mit einer Wahrnehmung, in der man nicht so geübt ist, leichter. Grad' bei den Designern tippt man ein Wort an und schon kommen 15 Ideen dazu, die aber alle irgendwie bekannt und meist modisch sind. Davon wegzukommen war der Anlass, ein Seminar ganz anders aufzubauen.

hatten Sie zuvor schon kontakt zu designern?
Ja, über Freunde. Der Unterschied? Architekten sind beim Entwerfen abhängiger vom technischen Wissen, Normen und Gesetzen. Die Designer waren von vornherein stärker befreit und konnten viel freier mit Formen, Elementen, Konzepten arbeiten. Aber auch die Architekten haben sich in den letzten Jahren geändert. Bei meinen Klienten gibt es Elemente, die an der Grenze liegen. Der Entwurf einer Lichtdusche beschäftigt sich ja nicht nur mit Architektur.

was fällt ihnen zu den umständen und der zeit am ID4 spontan ein?
Austausch. Es gab Architekten, die am ID4 etwas gemacht haben und Designer, die bei den Architekten studierten. Das waren einzelstarke Charaktere, die sich aufgrund ihres Willens ihre Ausbildungsthemen zusammengesucht haben. Erst später hat sich das organisiert geöffnet.

besonderheiten der studenten-generation, mit der sie zu tun hatten?
Ab 1990 wurde auffällig, dass sie an die Hand genommen werden wollten. Aufgrund meiner Lehransätze versuchte ich, die Studenten auf sich selbst zurück zu schubsen. Sie schienen aber Lehrer zu wollen, die ihnen sagten, wie man es macht. So eine Art Gläubigkeit nach oben, und das fand ich erstaunlich.

übereinstimmungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Unsere Positionen waren durchaus ähnlich, wobei er sie noch stärker verinnerlicht hat. Die Idee, über Konzeptionen etwas zu verändern, hat mich auch als Architekt beschäftigt. Dass man als Architekt nicht nur die Aufgaben erfüllt, sondern guckt, wie will man leben, ein Konzept entwirft und dann dafür Räume und Raumsysteme gestaltet. Bei meinem ersten Erscheinen am ID4 regnete es draußen ganz fürchterlich, und ich kam im Regenmantel an. Roericht hatte gerade ein Wurfgestell entwickelt, wo man feuchte Kleidung aufhängen konnte, und so wurden ich und der Regenmantel gleich in den Unterricht einbezogen. Reibungen, nein. Aber bei den Diplombesprechungen mit Nick fiel mir auf, dass es hier ähnlich wie bei Künstlern zuging, die Meister haben sich die Arbeit vorstellen lassen und dann war Stille, mit viel Glück bekam man von Roericht ein Nicken, aber das wars dann auch. Bei meiner Lehrtätigkeit wurden alle Seiten des Konzeptes von der Idee bis zur Umsetzung und bezüglich der Stimmigkeit im Entwurf gemeinsam durch Lehrende und Studenten verbal diskutiert und besprochen.

kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und ID4lern?
Keine Zusammenarbeit. Kontakte ja. Martin Rissler kannte ich früh. Jörg Hundertpfund habe ich jüngst getroffen. Es gibt noch ein paar Designer, mit denen man, wenn man sich irgendwo sieht, bespricht, wo man steht.

was würden sie im nachhinein, angenommen die zeitreise wäre bei gleicher ausgangslage möglich, anders machen?
Nichts.

wie hat sich, seit sie arbeiten/lehren, das verhältnis des entwerfers zum handwerkszeug verändert?
Heute lacht man natürlich über die Geschwindigkeit der Macs aus der Zeit 1988/89. Damals war ID4 damit privilegiert, hatte Photoshop und Freehand, während nur jene Architektur-Studenten das kannten, die nebenbei in Büros arbeiteten. Heute ermöglicht der Rechner Pläne und Entwürfe, die man früher gar nicht hätte erzeugen können. Permanent werden die Rechner schneller, und die Software-Anbieter reagieren mit neuen, veränderten Programmen. Gestalterisch bringt einen das nicht unbedingt voran, aber man kann Ideen dem Kunden gegenüber besser präsentieren. Früher bauten wir mehr Modelle.

sehen sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln in andere formen und ausrichtungen?
Künstler gestalten im Produktionsbereich, Designer für die Architektur, Architekten im Design – die Vermischungen gibt es alle. Meine persönlichen Erfahrungen: Ich sehe wachsende Wünsche der Kunden nach speziellen Gestaltungen, aber sie wollen ungern dafür bezahlen. Ich wäre besser dran, wenn ich wie eine Firma agieren würde und eine Eigentumswohnung komplett ausgebaut verkaufen würde, statt ein Interior-Design mit bestimmten Wohngedanken zu entwickeln, die Firmen zusammenzutreiben und dann zu schauen, was das kostet. Die Bereitschaft, für den Prozess des Gestaltens zu bezahlen, ist viel geringer als für die gestalteten Objekte.

welche hoffnungen oder ängste knüpfen Sie daran?
Bin manchmal schon verunsichert. In der Architektur hat man ja meist eine Mischung aus eigen gestalteten Objekten und Räumen und zugekauften Möbeln, an denen man nichts verdient. Langsam frage ich mich, ob man den Verkauf integrieren muss, damit sich das Gestalten rechnet.

worauf könnten Sie leicht verzichten?
Auf Handys. Und auf Generalunternehmer. Sind bei uns diejenigen, die dem Kunden vorgaukeln, dass sie alles könnten. In Wirklichkeit arbeiten die mit 15 Subunternehmen. Auch wir müssen manchmal für sie arbeiten, weil die Kunden ihnen mehr vertrauen als uns Architekten.