interview

interviewer:
marion godau
2004-01-12


protraitbild

Egon Chemaitis
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Es sind eigentlich seit meinem Diplom zwei Arbeitsebenen, die mir auch in dieser Konstellation sehr wichtig sind: angefangen habe ich mit Gerhard Strehl 1975. Wir haben einen Auftrag bekommen und uns damit selbständig gemacht. Zur selben Zeit habe ich von Nick Roericht einen Lehrauftrag bekommen; das hat sich so fortgesetzt. Ich habe schließlich die folgenden acht Jahre unterschiedliche Lehraufträge an der Hochschule der Künste Berlin übernommen. Danach zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Hannover, bis ich - nach zwei Gast-Professuren - 1986 als Professor für Design-Grundlagen an der Universität der Künste Berlin begonnen habe. Parallel dazu haben Gerhard Strehl und ich unser Büro weiter betrieben. Interessant daran fand ich immer das komplementäre dieser Tätigkeitsfelder. Die Lehre, die Arbeit mit Studierenden ist sehr speziell: Ich wüsste nicht, wo ich vergleichbare Erfahrungen machen könnte. Die Lehre zwingt zur dauernden Reflexion dessen, was man tut. Heraus kommt ein nicht widerspruchsfreier Abgleich mit der Praxis. Das ist bereichernd genauso wie hemmend und zwingt mich oft, einen Spagat zu machen. Die Bedingungen in Hochschule und Büro sind sehr unterschiedlich. Wie ich sonst meinen Beruf erklären würde: Das gelingt mir immer noch nicht richtig und vielleicht sogar immer weniger. Jedenfalls nicht, ohne entweder zu weitschweifig oder zu abstrakt zu werden. Design ist ein spezielles Denk- und Handlungskonzept, dessen Gegenstand die Einrichtungsprozesse des Menschen in seiner Welt sind. (o.k., das ist weitschweifig und abstrakt.)

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Im Hinblick auf meine Arbeit im Büro und auch in der Lehre war das mein prä-akademisches Vorleben. Es hat mir eine gute Grundlage für alles andere gegeben. Ebenfalls wichtig für mich: in ganz anderen Zusammenhängen und in anderen Ländern gearbeitet zu haben. Aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar, aber für mich eine Lebenssensation: mein Studium bei Wilhelm Braun-Feldweg und Nick Roericht.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Mit Gerhard Strehl habe ich die längste kontinuierliche Zusammenarbeit, immerhin seit 1975. An der Uni arbeite ich auch schon seit 6 Jahren mit meiner Mitarbeiterin Heike Scheller zusammen.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
Ja, immer wieder und in unterschiedlichen Situationen. Manche - Studenten, Absolventen - versuche ich für kleinere Grundlagen-Projekte zu gewinnen.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Ich würde gerne einmal an einer Besteckserie arbeiten, eine komplette Reihe mit allem was dazu gehört.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Nichts besonderes, oft einfach Gespräche mit interessanten Leuten. Meistens sind es Gespräche oder Themen, die nicht, jedenfalls nicht vordergründig, mit Design zu tun haben. Da war zum Beispiel die Geschichte des Grundschullehrers, der aus seinem Job ausgestiegen ist, weil er auf die Frage seiner Schüler, wo denn die her komme, keine Antwort wusste. Er hat dann jahrelang zum Thema Zahlen in den verschiedensten Kulturen geforscht und eine ”Universalgeschichte der Zahlen” geschrieben. Die Kulturen basieren in unterschiedlichster Art und Weise auf Zahlen. Ein spannendes Thema, ein Design-Thema.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Spannung, und die durchaus ambivalent. In früheren Zeiten Spannung auch im Sinne von ”uneasy”, weil sich während des Studiums eine ganz andere Sicht auf die Dinge entwickelte als vor dem Studium. Es ging um eine ganz andere Vorstellung von Design, das konnte man damals noch nicht in Worte fassen. Zweitens (und das überwiegt) meine ich Spannung im Sinne von Neugier und Ungeduld, interessante Ungewissheit und Skepsis.

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Ganz eindeutig, dass Gerhard Strehl und ich noch vor dem Studium verschiedene berufliche Erfahrungen gemacht hatten, bevor wir uns 1975 selbständig machten. Das waren vor allem handwerkliche Fertigkeiten. Das Studium war dann eine neue Welt.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Da ist noch Vieles, wie etwa das Konzept des partizipatorischen Entwerfens, die ?vor-Ort-Projekte? oder das integrative Studienmodell, das man aktualisieren oder weiter entwickeln könnte.

wenn du gerade nicht arbeitest, wo bist du am liebsten?
Auf der Terrasse, im Café, in Buchläden, in der Stadt ... kein wirklich besonderer Ort.

auf was koenntest du leicht verzichten?
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