interview

interviewer:
marion godau
2003-10-28


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Ingo "Kalle" Strobel
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Im Moment entwickle ich mehrere Möbelserien und Einzelmöbel und trete damit endlich an verschiedene Hersteller heran. Ich arbeite daran, in zwei Hotelprojekten (Interior) einen Auftrag zu erhalten und mache im Alltag viel Grafik- und Webdesign. Dann habe ich gerade eine eigene Produktionsfirma gegründet, für Möbel-Produktion und Handel, Anzeigengestaltung und -schaltung usw. Ein guter Freund gründet zur Zeit ein Unternehmen für sicheres WLAN und ich entwickle mit ihm Marketing und Kommunikations-Strategie.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Natürlich die victoria bar. Als Student dachte ich immer, wenn man mal eine Cocktail-Bar gemacht hat, hat ”man es geschafft”. Aber wie beim 1. Schwarzen Gürtel in einer Kampfsportart geht es dann immer erst richtig los.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Ich bin gerade das erste Mal in meinem Leben in der Situation, dass ich mich von den Zwängen geschaftlicher Partnerschaften befreie, dass ich alleine entscheide, wie und was ich mache und mit wem ich zusammen arbeite... das heisst natürlich nicht, dass ich allein arbeite - Teamwork ist wichtig.Ê Ich bewege mich selbstverständlich in einem Berliner Designkontext, arbeite mit anderen Designern und Architekten in einem losen Verbund. Christoph Held und ich haben gemeinsam das Projekt Berlinsalon initiiert, das noch immer Sponsoren sucht. Für nextguruNow mache ich viel Grafik für Fashion-Unternehmen... mit Johanna Grawunder habe ich noch immer regelmässigen Kontakt.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
Hermann Weizenegger, Oliver Vogt, Werner Aisslinger (die designmai-Fraktion), Andreas Peyerl, Christoph Held... Alle Leute, die ich aus der Studienzeit noch heute kenne, sind Roericht-Studenten gewesen.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Ich arbeite an den Dingen, die mich reizen. Mich interessieren Interior- und gesamtatmosphärische Situationen. Ich habe wie gesagt begonnen, endlich Möbel für die Industrie zu entwerfen, habe aber noch kein Ergebnis. Ich habe keine Projekte, die mir nicht gefallen. Die Frage ist eher, ob man dafür auch immer das Geld bekommt, das die Arbeit eigentlich wert ist.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Ich bin kein Mensch, der jemals einem Guru gefolgt ist. Ich konnte mich immer schon schwer unterordnen. Sicherlich aber haben Nick Roericht, Ettore Sottsass und Herbert Jakob Weinand positiven Einfluss auf mich gehabt. Sottsass hat mich nachhaltig beeindruckt, weil er für komplizierte Zusammenhänge oft verblüffende Antworten hat und diese leicht verständlich ausdrücken kann. Und in einer unglaublichen Tiefe über das Leben und die Arbeit reflektiert. Was mich inspiriert: Ich habe mir aus Ibiza ein Holz mitgebracht. Es kommt von einem Baum namens Sabena und riecht ähnlich intensiv wie Zeder. Auf Ibiza werden damit Fachwerkhäuser gebaut, die riechen die nächsten 100 Jahre natürlich und symphatisch. Solche Dinge zu finden und zu nutzen fasziniert mich.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Die gottgleiche, klosterartige Atmosphäre, die dort herrschte. Das hat auch den Reiz ausgemacht. Ich ordnete mich zwar auch irgendwie dieser klösterlichen, eingeschworenen Gemeinde unter, wollte und konnte aber nie Kronprinz werden, war auch nie unter denen, die in Ulm Praktikant waren oder Industrie-Aufträge bekamen... dennoch gab es, glaube ich, eine gegenseitige Anziehungskraft oder Duldung...

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Die langfristigste und positivste Investition in die Zukunft war Roerichts Apple-Politik. Als das information age gerade erst anfing, schaffte Roericht für seine Studenten eigeninitiativ Rechner an. In das, was man heute können muss, sind wir beim ID4 einfach hinein gewachsen. Ein ungeheurer Vorteil. Davon lebe ich heute. Für damals eine ungeheure Vision und Weitsicht von Roericht, und sein persönliches Engagement.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Ich würde gern lehren.Ê Viele Praktikanten kommen mit einer totalen Unerfahrenheit aus der Uni in mein Büro. Ich glaube, es müßte eine \’Professur für Realität\’ geben. Meinetwegen 95% Phantasie und freies Experimentieren, aber 5% Realität an den Unis. Ich finde auch, die Computer werden nicht richtig eingesetzt. Der reale Teil kommt zu kurz. Ich bekomme zB. von jungen Bewerbern knallbunte Bonbon-Entwürfe präsentiert, aber es ist nicht geklärt, in welchem Material oder mit welcher Technologie der Gegenstand hergestellt wird, ob die Statik berücksichtigt wurde usw. Das ist Cyberspace falsch verstanden. Was an der HdK damals nicht vorkam, waren ökonomische Zusammenhänge. Etwa: Wie verhandle ich? Wie setze ich eine Vision ökonomisch vernünftig um? Design und Nachhaltigkeit wurden damals nicht bewußt in Zusammenhang gebracht. Ich bin seit 1991 selbständig und habe auch Lehrgeld bezahlt. Diese wertvollen Erfahrungen würde ich in Projekte einbeziehen, wenn ich irgendwo lehren sollte.