interview

interviewer:
marion godau
2003-10-24


protraitbild

Jörg Hundertpfund
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Hauptberuflich Hochschullehrer, bin aber auch freiberuflich tätig. Jedoch nicht im klassischen Sinn auftragsorientiert, sondern frei, künstlerisch-gestalterisch.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
freie gestalterische Arbeiten (etwa zum Designmai), als Beispiel ”Sublime”. Das Projekt beschäftigte sich in der Hauptsache mit der Frage nach den Manipulationsmöglichkeiten die man an einem Gegenstand vollziehen kann. Als Beispiel oder, wenn man so will ”Lesehilfe” dient ein archetypischer Stuhl. Die Ergebnisse repräsentierten u. a. das, was für gewöhnlich in der gestalterischen Auseinandersetzung vermieden wird: das Fehlbare, das Disfunktionale, den Ausschuss, aber - und vor allem, das außerdem Mögliche. Der gestalterische Ansatz sucht und thematisiert den ”blinden Fleck” in herkömmlichen Konzeptionen. Das Thema Design wird eigentlich nur tangiert. Was ich spannend finde: gestalterische Grenzbereiche. Etwa die Frage nach dem Verhältnis von Funktionsgebilde und ”Denkform”.

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
Ich bin mit einer ganzen Reihe von Leuten in Kontakt, vor allem mit Roericht-Leuten immer wieder. Oder auch mit Katrin Pallowski.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
John Hirschberg, Marion Godau,Oliver Vogt, Herrmann Weizenegger, Inge Sommer, Egon Chemaitis, Katrin Warneke, Pia Kuhn, Guido Englich, Christoph Walter, Martin Rissler und ehemalige Studenten aus der ersten Generation, wie Tim Brauns oder Fax Quintus. Der fachliche Gedankenaustausch ist ja leider im Alltag der Hochschule eher die Ausnahme. Aber wenn, dann habe und suche ich ihn in diesem Personenkreis.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Ich bin allgemein schnell reizbar und zwar auf so ziemlich alles! Im Design: 1. Folge- oder Effektforschung - Diskurs über Entwicklungen - Welche Folgen hat ein Entwurf (z.B.: Handy: Wie hat das Handy unser Kommunikationsverhalten geändert.) 2. stilistische Entwicklung von Dingen. Wie entwickelt sich die Gegenstands- und Dingsprache? Nicht zuletzt: Ich entwerfe gern. Produktentwicklung ist ja eher eine konzertierte Aktion mit vielen Partnern. Ich finde es aber spannender, es in einer Hand zu haben.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Meine Kinder bewundere ich und die inspirieren mich auch. Dr. Pausers Autozubehör - das Buch hat mich zum Lachen gebracht.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Ein gutes Gefühl. Der Geruch des Gebäudes (hab eine gute Nase). Die Menschen. Ich war da gerne zu Hause. Die Arbeitsräume von Nick fand ich sehr anregend, sie waren von der Atmosphäre her dem Alltag, dem Banalen eindeutig entrückt.

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Das Gefühl, ”dabei” zu sein. Auch wenn ich das kaum an einzelnen Figuren oder Projekten festmachen kann, es war die Heimat eines bestimmten Menschenschlages. Wenn du dort warst, warst du im Zenit der Zeit.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Verschiedene Ideen, die ich nach wie vor für richtig und zeitgemäß halte, z.B. den Ansatz ”Vom Objektstudium zum Subjektstudium”. Ich versuche, für jeden möglichst ideale Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es gibt kaum eine Fehl-Begabung für das Fach - das Thema ist letztlich so gross (allumfassend), dass jeder gemäss seiner Interessen und besonderen Fähigkeiten eine Aufgabe (Herausforderung) findet - wie der einzelne sie entdeckt, schult und einsetzt ist das Spannende. Oder der Ansatz ”Von der Formel zum Prozess”. Man entwickelt den Prozess und der Prozess entwickelt das Projekt. Meine Kritik am systemisch determinierten Designprozess: nichts gegen systematisiertes Arbeiten, das erleichert einiges - allerdings fördert es, besonders unter den Denkfaulen die irrige Vorstellung von ”richtigen” weil systembedingt determinierten Lösungen. Das verrät eine antizipatorische Haltung Entwicklungen gegenüber, die leicht den beschränkten eigenen Horizont zum allgemeinen erklärt und die wenig kritrikfähig scheint. Demgegenüber steht die partizipatorische Haltung die allerdings Rückrat und Risikobereitschaft einfordert. Jedes Projekt schliesslich entwickelt ganz eigene Bedingungen und damit eine eigene, eigentliche Qualität. Den Literaten auf die Finger geschaut: Als Schreibender entwickelt man Struktur und Inhalt gleichermassen und beides steht in Interdependenz: Was ist ein Gegenstand anderes als Ding gewordener Prozess, als materialisierte Geschichte. Das ist Leben mit Nick: Dran sein und manches nicht verstehen bewundernd.